Was soll ich werden? Wenn der Schulabschluss naht, wird diese Frage für viele Jugendliche immer dringender. Panik steigt auf, da sie leider nicht einmal den Ansatz einer Idee haben. Ihren Eltern steht der Angstschweiß sprichwörtlich auf der Stirn, weil ihr Sprössling scheinbar keinen Gedanken an die Berufswahl verschwendet.
Was soll ich werden? Verzweifelte Teenager
Liebe Eltern, so ist es nicht! Euer Teenager macht sich Tag und Nacht darüber Gedanken. Aber aus lauter Verzweiflung, weil er keine Lösung findet, spricht er nicht mit euch darüber. Euer Kind schämt sich. Teenager wissen ganz genau, dass sie euch enttäuschen. Der Erwartungsdruck macht sie fertig.
Was soll ich werden? Eine Welt voller Möglichkeiten
Seit euer Kind denken kann, standen ihm alle Möglichkeiten offen. Auch die Schule deckt eine große Bandbreite an Allgemeinbildung ab. Niemals gab es einen Grund für dein Kind, sich zu spezialisieren. Es ging mal dem einen und mal dem anderen Interesse nach und verwarf vielleicht alles wieder. Viele Eltern reagierten dann mit dem Vorwurf: „Nichts hältst du durch!“
Bevor der Schulabschluss ansteht, lebt dein Teenager in einer Welt voller Möglichkeiten und Träumen von der Zukunft. Erwachsen ist man später. Die großen Entscheidungen trifft man später. Doch urplötzlich ist später.
Was soll ich werden? Zeit ist relativ
Das ist gar nicht böse gemeint von deinem Kind. Kinder und Jugendliche können nicht so weit in die Zukunft denken, wie wir Erwachsenen. Für Kinder ist der Mathetest in zwei Wochen so weit weg, wie im Sommer Weihnachten. Jugendliche lässt die nahende Abschlussprüfung nicht in Panik verfallen, wenn sie erst in drei Monaten ist. Demnach ist die Wahl des Berufes auch eine Sache, die erst in ferner Zukunft beschlossen werden muss.
Was soll ich werden? Für immer und ewig
Was Jugendliche auch in Schreckstarre versetzt, ist die Tatsache, dass sie nach ihrer Entscheidung, welchen Beruf sie wählen, gefangen in der Eintönigkeit sind. Noch vor kurzem stand ihnen die Welt offen und jetzt müssen sie sich für immer und ewig auf eine einzige Variante des Lebens festlegen.
Wenn mir Schüler über diese Angst berichten, dann frage ich mich imme,r woher sie diese Idee haben. Früher war es so, dass man den Beruf, den man gelernt hat auch sein Leben lang gemacht hat. Auch in derselben Firma. Heute muss man im Berufsleben eher flexibel sein. Daher ist die Angst der Jugendlichen objektiv gesehen erst einmal unverständlich. Wer redet ihnen aber dennoch immer wieder ein, dass die Berufswahl das Leben für die nächsten vierzig Jahre bestimmt?
Liebe Eltern, nehmt dieses Damoklesschwert über euren Kindern weg, indem ihr sagt, dass sie sich erstmal für die nächsten fünf Jahre festlegen sollen. Erstens beruhigt das die Kinder ungemein und zweitens sind sie in fünf Jahren so reif und berufserfahren, dass sie erwachsene Entscheidungen treffen können.
Was soll ich werden? Ich bin nichts wert!
Wie ihr wisst, bin ich Lehrerin, Mathe-Lehrerin. Ich betone das so, weil doch einige eine gewisse Abneigung zu diesem Fach pflegen. Ich kann es verstehen! 😉
Heute saß eine Zehntklässlerin in meinem Unterricht völlig paralysiert. Sie starrte vor sich hin. Zuvor hatte sie von ihrer schlechten Note im Mathetest erfahren. Sie tat mir leid und ich setzte mich zu ihr, als alle anderen an einer Aufgabe knobelten.
Wir sprachen etwas miteinander und es stellte sich heraus, dass sie dachte, dass eine schlechte Note in Mathe eine Aussage über ihre Zukunft machen würde. Versteht mich nicht falsch: Lernen ist wichtig und ein guter Abschluss unglaublich hilfreich. Aber ich sagte ihr, dass das doch nur Mathe sei, und dass sie die Trigonometrie und Kreisberechnung von dieser Stunde wahrscheinlich in ihrem Leben nie wieder brauchen wird. Eine Note sagt nichts, aber auch gar nichts darüber aus, was für ein Mensch man ist. Eine Note beschreibt weder die organisatorischen, sozialen, empathischen noch lebenstauglichen Talente die man hat. Eine Note ist eine Momentaufnahme. Sie zeigt lediglich, wie gut man ein Thema gelernt und verstanden hat. Sonst nichts!
Da saß dieses hübsche, talentierte, engagierte und intelligente Mädchen vor mir und glaubte nichts wert zu sein, weil sie eine schlechte Note in Mathe hatte. Sie meinte, dass sie ohne gute Noten nie einen guten Beruf ergreifen könnte. Ohje!
Was soll ich werden? Die Welt der Zukunft
Erklären wir unseren Kindern zu wenig, wie die Welt heute funktioniert? Sind wir so sehr in den verstaubten Denkmustern gefangen, dass wir solch großen Druck aufbauen?
Eltern sollten ihren Kindern die Welt der neuen digitalen Berufsmöglichkeiten zeigen oder wenigstens zeigen lassen. Jugendliche sollten die Möglichkeit kennen, dass sie sich nach einer Lehre und einigen Berufsjahren auch selbständig machen könnten mit einer eigenen kleinen Firma oder einem Online-Business. Das ist die Welt der Zukunft. Das ist eine Welt voller Möglichkeiten. Zeigt sie euren Kindern endlich.
Lese auch hier: Dein Kind will ein Piercing? – Gute Argumente für Eltern!
und hier: Mein Kind lügt – dann ist es intelligent!
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Vieln Dank für diesen Artikel, und wie wahr! Ich arbeite seit 15 Jahren mit Teenagern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen ab 15 Jahre. Meine eigenen.Kinder sind jetzt 19m/20w/23w Jahre alt. Und immer wieder erlebe ich, diese wahnsinnige und ängstliche Unsicherheit über deren Zukunftsplanung. Und auch ich frage mich ständig, woher der Gedanke in diesen jungen Köpfen kommt, dass man sein Leben nur mit diesem ersten beruflichen Schritt verbringen und keineswegs flexibel umschwenken könnte. Ob über Weiterbildung oder Neueinstieg, völlig egal, das Leben bietet gerade auch u.a. im Zeitalter der Digitalisierung so viele Möglichkeiten.
Allerdings bin ich zu einer Erkenntnis gekommen, die einen Einfluss auf diese Unsicherheit haben könnte. Wenn wir uns alleine im privaten Umfeld umhören, gibt es fast niemanden mehr, der positiv von seiner Arbeit berichtet. Das Wochenende oder der Urlaub wird herbeigesehnt, die Kollegen sind doof, die Arbeit anstrengend und nicht erfüllend. Das Aufstehen am Morgen ist verhasst und der Verdienst zu wenig. Dass die meisten Menschen auf unglaublich hohem Niveau jammern, ist kein Geheimnis. Auch ich neige hier und da dazu, das Wochenende herbeizusehnen, lasse aber niemals einen Zweifel daran, dass mir die Arbeit mit den jungen Menschen trotz mentaler Anstrengungen viel Spaß macht. Man fragt mich oft, ob ich nie Feierabend habe, weil ich gerne von meiner Arbeit erzähle oder mich außerhalb der “bezahlten“ Arbeit den Problemen der Kids annehme und diese mir Vertrauen.
Aber ich glaube, dass es ein großes Problem ist, dass diese Berufsstarter mehr Negatives über die Arbeitswelt hören, als Positives.
In Gesprächen wird von ihnen auch berichtet, dass schon in den Schulen darauf hingewiesen wird, dass sie sich genau überlegen sollten, was sie mal machen möchten, weil sie den Beruf dann mindestens 40 Jahre ausüben müssten. Da stellen sich mir ständig die Nackenhaare auf und ich werde wütend, wegen so viel Unsinn!
Diese beiden Kombis, so stelle ich mir es vor, könnten zu der großen Unsicherheit in der beruflichen und generellen Lebensplanung führen.
Ich sage immer, es ist völlig egal was ihr später tut, Hauptsache ihr könnt euren Lebensunterhalt damit verdienen und die meisten eurer Träume oder Wünsche erfüllen.
In diesem Sinne……unsere Kids finden trotzdem ihren Weg 🙂
Hallo Dorie,
vielen Dank für deinen Kommentar. Du hast recht, es ist so traurig, wie unnötig auf unsere Jugendlichen Druck ausgeübt wird. Sie sind davon ganz starr vor Zukunftsangst und können sich erst recht nicht entscheiden. Klasse, dass du das auch so siehst und deinen Schützlingen bestimmt viel positive Unterstützung zukommen lässt.
LG Ina